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ET - Gasteinertal/Menschenwerke: Montanzentrum - Angertal
Gasteinertal, Menschenwerke Menschenwerke
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Menschenwerke . Gasteinertal

Frühindustrielles Montanzentrum Angertal

1490 - 1520

Erzaufbereitungsanlage, Angertal Die eigentliche Talstation der Erzwies war die Gadauner Grundalm, wohin die Erzwieser Erze und auch die Bockharter Erze nach Hinauftragen auf die Baukarlscharte mittels Sackzug angeliefert wurden. Der Verhüttungsplatz im hinteren Angertal für Gold- und Silbererze war von 1490 bis ca. 1520 in Betrieb.

Bei Ausgrabungen nach Entdeckung der Schlackenhaufen im Angertal konnten südlich davon zwei Schachtöfen und Teile eines Treibofens freigelegt werden. Ebenso fanden sich noch Reste der riesigen Kurbelwelle, die von einem Wasserrad angetrieben den Pocher und die Blasebälge für die Öfen in Gang hielt. Das Wasserrad stand in dem östlich der zweiten Trockenmauer liegenden künstlichen Gerinne. Hier konnten bei den Ausgrabungen noch zahlreiche verbrannte Reste der Holzkonstruktion gefunden werden. Eine Auszählung der Jahresringe der Fichtenhölzer ergab, dass diese wohl im 16. Jh. zugerichtet wurden. Südlich der Öfen befanden sich die hölzernen Strukturen des Wellenbaumes, der dann den Blasebalg antrieb. Die teilweise verbrannten Hölzer weisen aber auch darauf hin, dass möglicherweise wegen eines Brandes die Aufbereitungsanlage aufgegeben wurde.

Ofen 1 wurde im Angertal im Jahre 2007 freigelegt. Dabei konnte eine Mauer bis zu 1,20 m vorgefunden werden mit kalkgemörtelten Gneisbruchstücken. Ofen 2 schließt direkt an, wurde aber etwas später errichtet. Beide Öfen sind Schachtöfen. Ofen 3 wurde noch später errichtet und konnte nur mehr rekonstruiert werden, da nur noch die untersten Mauerlagen bestanden. Unweit davon nördlich eine riesige Schlackenhalde, die heute wesentlich geringere Ausmaße als ursprünglich zeigt. Südlich der Öfen befindet sich noch das Holzkohlenlager. Weitere Schlackenhalden befinden sich im oberen Talschluss ebenso wie im Talverlauf Richtung Nordosten, wobei mindestens vier getrennte Schmelzanlagen bestanden haben: die bereits freigelegte am Schattbach, dann mindestens eine weitere Schmelzanlage am Egglgrubbach und zwei weitere Anlagen weiter Tal auswärts am Angerbach.

Verhüttung im Angertal

Das erzhaltige Gestein wurde mit Säcken, welche ein Gewicht von bis zu 150 kg hatten zu Tal bzw. zur Verhüttung ins hintere Angertal gebracht. Die Erzgesteinsbrocken wurden erst mit dem Pocher zerkleinert, welcher über eine Welle von einem Wasserrad angetrieben bewegt wurde. Hölzerne, metall- oder steinbeschwerten "Pochstempel" zerstampften so das erzhaltige Gestein bis auf Erbsen- bzw. Kieselsteingröße, um danach gewaschen in den Röstofen verbracht zu werden (durch vorheriges Schlämmen mit Wasser konnte das schwere erzhaltige Gestein von den leichteren nicht erzhaltigen getrennt werden).

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Pocher mit Wasserrad und Blasebalg

Das zerkleinerte Erz wurde nun im Röstofen gemeinsam mit Holzkohle schichtweise eingebracht und geschmolzen. In Verbindung mit Sauerstoffzufuhr mittels Blasebalg konnte so der Schwefel und andere flüchtige Metalle wie z.B. auch Arsen dem Mischerz ausgetrieben werden (bei etwa 800°C entwich der Schwefel als Schwefeldioxid in die Umgebungsluft). Das durch dieses Rösten gewonnen oxidierte Erz (Eisen- wie Bleioxid u.a.) wurde anschließend in den nebenstehenden Schmelzofen eingebracht.

Schmelzofen, Angertal Schmelzofen, Angertal Schmelzofen
Schachtöfen (Röst- und Schmelzofen mit Treibherd)

Im Schmelzofen verbinden sich dann bei etwa 1.000°C und sauerstoffarmer Umgebung die Edelmetalle mit dem beigemengten Blei (die kontrollierte Zufuhr von Luft ermöglichte im Röstofen Temperaturen bis über 1.000°, bei der Angertalanlage wahrscheinlich bis zu 1.200°C). Dabei begann das mit Holzkohle vermengte Bleioxid ("Bleiglätte") bei 886°C zu schmelzen. Der Kohlenstoff der Holzkohle reduzierte das Bleioxid, wobei Kohlendioxid entwich und das silberhaltige Blei zurückblieb. Das schwere silberhaltige Blei sammelte sich am Boden des Schmelzofens und konnte so aufgefangen werden. Die nicht edelmetallführenden Teile (Schlacke) werden ausgeschieden.

In einem weiteren Schritt wurde in sauerstoffreicher Umgebung im Treibofen das gewonnene Blei aus dem Schmelzofen vom Edelmetall getrennt. Das im Schmelzofen gewonnen silberhaltige Blei wird auf über 900°C erhitzt und dabei kontinuierlich Luft auf die Oberfläche der Schmelze geblasen. Die so entstandene Haut aus flüssigem Bleioxid konnte so mit einem Schlackenhacken regelmäßig abgezogen werden, was wiederum die Zufuhr von weiteren Luftsauerstoff auf das flüssige Blei ermöglichte. Ganz zuletzt blieb dann nur mehr ein dünnes Häutchen Blei übrig, darunter schien das Silber durch. Dieser "Silberblick" war das Zeichen für den Abschluss. Das Gestein aus der Erzwies war relativ bleihaltig, sodass wohl nur wenig Blei zugekauft werden musste oder aber vielleicht war die Anlage im Angertal diesbzgl. völlig autark. Die Rückstände beim Schmelzprozess im Treibherd werden als Platten-Schlacke bezeichnet. In der Zeit der Verhütung hier im hinteren Angertal fielen rund 5.000 m3 Platten-Schlacke an.

Wasserrad mit Welle Wasserrad Schmiede, Erzaufbereitungsanlage Schmiede, Erzaufbereitungsanlage Schmiede, Erzaufbereitungsanlage Platten-Schlacke
Erzaufbereitung, Schachtöfen und Schmiede

Schmiede und Wohnhaus

Die Schmiede diente dazu, dass stark beanspruchte Werkzeug gleich vor Ort brauchbar zu halten und Reparaturen vorzunehmen. Das etwas abseits gelegene Knappenhaus war die Wohn- und Ruhestätte der Knappen, das an die Schmiede angeschlossene Bergmeisterhaus diente dem Bergmeister als Aufenthalt. Seine verantwortungsvolle Aufgabe war es, das eintreffende wie das gewonnene Erz zu prüfen und zu beaufsichtigen.

Treibherd Prof. Dr. Fritz Gruber schreibt in seinem Buch - TAUERNGOLD : Im Talschluss stand eine ganze Reihe von Gebäuden, vor allem die Schmelzhütten mit jeweils zwei, manchmal auch vier Schmelzöfen. Dazu kam noch ein weiterer Schmelzofen, der Treibherd, dessen typisches Merkmal die Abdeckung mittels eines riesigen, hutförmigen Deckels aus massivem Eisenblech war. Im konkreten Fall war dieser "eiserne Hut" vom Plattner (Blechschmied) zu Werfen hergestellt und ins hinterste Angertal transportiert worden. Als ideal für die Wasseranspeisung der Waschherde wäre die reichlich schüttende Quelle am Ausgang des Schattbachgrabens gewesen, da sie auch im tiefsten Winter konstant mit 8 Grad Celsius aus dem Berg floss und somit den Waschbetrieb in den milderen Monaten der Frostperiode ermöglichte, vorausgesetzt, das die Waschherde direkt an der Quelle gelegen waren. Im Normalfall mussten die Wäscher bei den anderen Waschanlagen ja im Winter "feiern" oder sich als Sackzieher anbieten.
Im hintersten Angertal gab es auch mindestens zehn sogenannte "Kästen". Das waren absperrbare, üblicherweise mit einem Pultdach abgedeckte Holzhütten, die zur Aufbewahrung von Erzen und anderen Schmelzprozess-Materialen (wie etwa Asche und Lehm) dienten. Aus den Meckauischen Rechnungen geht hervor (Melchior von Meckau, Bischof von Brixen besaß einige dieser Erzverarbeitungsanlagen), dass den Wäschern und Schmelzern eine eigene Wohnhütte zur Verfügung stand, deren "Pograten" (Bettgestelle) sogar mit "Lailach" (Leintüchern) ausgestattet waren. Auch gab es eine Badehütte, die man sich am besten als frühe Form einer Gemeinschaftssauna vorstellt. Für die Saumpferde war ein Rossstall vorhanden und für die Schlitten ein großer Schuppen. Die Lastenfuhren zwischen den Schmelzhütten und den "Kohlparmen" (Holzhütten zur Lagerung von Kohle) erfolgte mittels sogenannter "Pennen", das waren kleine Schlitten mit korbartigen Aufsätzen aus geflochtenen Weidenruten. Vom Talschluss des Angertales weg führten ins Gasteiner Haupttal hinaus zwei Fahrwege, die besonders im Winter frequentiert wurden, da man möglichst alles den billigen Schlittentransporten überantwortete und teure Wagenfuhren nach Möglichkeit mied.

In mühevoller Kleinarbeit wurde die Erzaufbereitungsanlage in den letzten Jahren im hintersten Angertal rekonstruiert. Die Öfen wie die Blasebälge, Welle und Pocher wurden nach alten Aufzeichnungen möglichst originalgetreu wieder aufgebaut. Die handwerkliche Leistung überwiegend in Eigeninitiative ist unvergleichlich, die Details einzigartig. Das montanhistorische Kernelement bildet so wieder aufgebaut eine einzigartige mittelalterliche Ofenanlage. Angeschlossen sind die Schmiede, das Bergmeisterhaus und das Knappenhaus. Schautafeln beschreiben die Anlage. Weitere Erzaufbereitungsanlagen sind derzeit in Arbeit und werden archäologisch aufgearbeitet. Das frühindustrielle Montanzentrum Angertal ist so noch keinesfalls in seiner Gesamtheit erfasst . . .

Auszug aus einem Pressebericht (Brennpunkt, Oktober 2009): Das montanhistorische Kernelement der Knappenwelt bildet die in Mitteleuropa einzigartige mittelalterliche Ofenanlage bestehend aus Röstofen, Schmelzofen und Triebherd. Der Verhüttungsplatz für Gold- und Silbererze war von 1490 bis ca. 1530 in Betrieb. Schmiede, Bergmeisterhaus und Knappenhaus beherbergen nicht nur die archäologischen Funde, sondern veranschaulichen auch das karge, alltägliche Knappenleben. Ende der 70er Jahre entdeckte Prof. Dr. Fritz Gruber gemeinsam mit Prof. Moesta zunächst zwei Schmelzlöfen im Schattbachgraben. Mitte der 90er Jahre begannen auf Betreiben von Via Aurea Obmann Walter Wihart archäologische Forschungen vom Institut für Frühgeschichte der Universität Wien, zunächst unter der Leitung von Frau Dr. Brigitte Czech und in den letzten Jahren unter Frau Univ.Prof.Dr. Claudia Theune-Vogt. Diese archäologischen Untersuchungen bildeten gemeinsam mit den Befunden von Univ.Prof.DDr. DI Gerhard Sperl von der Montanuniversität Leoben und der wissenschaftlichen Beratung von Prof.Dr. Fritz Gruber die Grundlage für die Restaurierung der nunmehr drei Schmelzöfen und der Errichtung der Knappenwelt.

Weiterführende und verwandte Themen :
• Dokumentation : Bergbauordnung - Pachtverträge
• Dokumentation : Gewerkschaft Radhausberg - 1866
• Dokumentation : Oberbergrat Karl Imhof - 1911

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Quelle: "Das Buch vom Tauerngold" von Paar/Günther/Gruber - 2006, Verlag Anton Pustet - und Pressebericht (Brennpunkt, Oktober 2009)

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Menschenwerke: Montanzentrum - Angertal
© 2009 Anton Ernst Lafenthaler
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