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D - Gasteinertal/Dokumentation: Geschichte - Emigration/Inquisition 1732/33
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Dokumentation . Gasteinertal

Emigration . Inquisition

Pfarrer Ekkehart Lebouton beschreibt in seinem Buch "Die Lutherischen in Gastein", 1981 - die Protestantenvertreibung im 18. Jh., insbesondere die Emigranten aus Gastein und die späten Prozesse. Von 22.151 Salzburger Emigranten erreichten ungefähr 16.000 Ostpreußen, davon 487 Gasteiner - über 800 starben auf der Reise.
Am 2. Februar 1732 gab der König der Preußen ein Patent heraus, in dem er den Salzburgern die Aufnahme in seinen Ländern zu günstigen Bedingungen zusagte. Wer sich zur Niederlassung in Preußen bereit erklärte, sollte sofort als preußischer Untertan gelten. Salzburg musste ihm freien Abzug unter Mitnahme seines Vermögens gewähren. Der König versprach den Salzburgern, ihnen ein Reisegeld auszubezahlen: jeder Mann sollte 4, jede Frau 3 und jedes Kind 2 Groschen pro Tag erhalten.

Lutheraner verlassen Gastein

» Der König der Preußen «
Der vom König zur Übernahme der Salzburger nach Regensburg beorderte Kommissarius Johann Goebel, verzeichnete bis zum 7. Mai 1733 an die 20.694 Anmeldungen. Angesichts dieser vielzähligen Annahme seiner Einladung tat der Preußenkönig den Ausspruch: "Was thut Gott dem Brandenburgischen Hause für Gnade!"
Im Herzen voll Dankbarkeit für diesen irdischen König, machten sich die Salzburger in verschiedenen Trupps auf den Weg gen Norden.

» Die Gasteiner Emigranten «
Die Gasteiner Emigranten trafen auf ihrem Weg nach Salzburg meist mit Auswanderern aus anderen Gerichten zusammen. In Salzburg sammelten sich die einzelnen Scharen, um dann gemeinsam weiterzuziehen. Der Weg, den die einzelnen Emigrantenscharen genommen haben, ist heute nicht mehr im Detail zu verfolgen.
Von Gastein wanderten erst nach Salzburg und dann weiter über die Landesgrenze Richtung Norden am 26. September 1731: 48 Personen - am 14. Feber 1732: 47 Personen, am 14. März 1732: 17 Personen - am 23. Juni 1732: 273 Personen - und am 16. August 1733: 189 Personen (Angabe lt. dem Buch "Die Lutherischen in Gastein" von Ekkehart Lebouton).

» Die Niederlassung Eben-Ezer in Georgien «
Der Emigrationszug, welcher Gastein am 16. August 1733 verließ, kam Ende des Monats über Landsberg nach Memmingen. Hier erfuhren die Emigranten, dass der englische König Kolonisten für Georgien in Nordamerika suche. Es erklärten sich sofort 42 Leute dazu bereit. 130 marschierten nach Preußen weiter. Die Amerikaauswanderer verblieben bis zum 31. Oktober 1733 in Augsburg und reisten über Rotterdam, Dover nach Georgien. Sie gründeten dort die Niederlassung Eben-Ezer und gelangten teilweise in großen Wohlstand. Mit Hilfe der "Society for the Propagation of Christian Knowledge" in England wurde die Ansiedlung finanziert. Begleitet hat den Zug ein Baron Philipp Georg Friedrich von Reck aus Hannover. Im November 1733 schiffte sich der erste Zug von 47 erwachsenen Personen in Dover ein. Es folgten noch 2 weitere Züge von Salzburgern, sodass insgesamt ca. 300 Salzburger in Georgien angesiedelt wurden, davon vermutlich 50 Gasteiner. Spätere Nachsiedlungen von Pfälzern und Schwaben gingen immer noch unter dem Namen "Salzburgers", die heute an die tausende Großfamilien darstellen, die auf ihre Tradition sehr stolz sind und einmal im Jahr zu einem großen Treffen der Salzburger in Amerika zusammenkommen.

Gasteiner als Inquisitoren

» Die Inquisitoren von Gastein «
Im Februar 1733 wurde von der Geheimen Religionsdeputation eine strenge Inquisition angeordnet. Die Inquisitoren von Gastein waren Landrichter Stockhammer, der alte Pfarrer Wagner und der neue Pfarrer Grienagl, die beiden Jesuiten und der Kooperator. Sie traten unter dem Vorsitz des Dechanten Johann Hofer von Werfen im Pfarrhof Hofgastein zusammen. Vor dieser Religionskommission mussten nun ausnahmslos alle erscheinen, die sich einmal lutherisch erklärt hatten, auch dann, wenn sie inzwischen freiwillig wieder katholisch geworden waren. Beim Verhör wurden die Personalien aufgenommen, frühere Religionsvergehen und Übertretungen der Landesgesetze zu Protokoll genommen. Anschließend mussten sich diejenigen, die sich zum Katholizismus bekannten, einem Glaubensexamen unterziehen und wurden zum Beschwören des katholischen Glaubensbekenntnisses veranlasst. Jeder Inquisitor hatte das Protokoll zu unterschreiben, und seinen Meinung über den Verhörten anzufügen. Nach diesen Protokollen wurde von der Geheimen Religionsdeputation in Salzburg das Urteil gefällt.

» Das "Sechzgerl" «
Die Kunde dieser Freveltaten muss erst im Herbst 1732 der Obrigkeit zu Ohren gekommen sein. Im Bericht vom 3. Dezember 1732 wurden sie von den Jesuiten bereits erwähnt. Es stellte sich heraus, dass der Hofer Kirchenchor wiederholt während des Gottesdienstes protestantische Texte zu den Weisen katholischer Kirchenlieder gesungen hatte. Schon vor Jahren hatte Pfarrer Kern ihnen verboten, das "Sechzgerl", ein beliebtes verbotenes Liederbuch, in die Kirche mitzunehmen. Die Sänger schrieben sich jedoch Texte daraus ab, legten sie in ihre vorgeschriebenen Gesangsbücher und sangen sie unbeachtet des Verbotes.
Am 23. Juni 1733 wurden nun 11 Schuldige vorgeladen. Aus ihren Antworten ist zu entnehmen, dass es recht trotzige Männer waren. Matthias Hueber, Sagmeister auf der Lafen, Hanns Koller, Matthias Leyrer, Georg Leyrer vom Gigrach, Wolf Leyrer zu Oberkampperg, Christian Grueber, Knecht zu Grueb, Hanns Grueber, Balthasar Grueber zu Grueb, Hanns Rodlberger, Hans Wenger von Luggau und Michael Grueber zu Dorf. Die meisten von diesen waren bereis 10 oder 20 Jahre beim Kirchenchor. Das Urteil wurde am 22. Juli gefällt. Drei Chorsänger wurden zur Ablegung einer Glaubensprobe verurteilt, die anderen zur Emigration, weil sie sich "in gottloser Weis vermessen, vor dem H. Sakrament des Altars in der ohnvernehmlichen Pauernsprach, ärgerlich boßhafte Gsänger zum Gespött und Verachtung der Catholischen Religion abzusingen".

» Gastein - "Luthers Bibliothek" «
Am 16. August 1733 verließen 189 Personen das Gasteiner Tal, viele davon nach Kärnten. Trotz der strengen Inquisition von 1733 und der Ausweisung aller des Protestantismus überführten blieb das Misstrauen der erzbischöflichen Regierung gegen die Gasteiner rege. Besonders verdächtig erschienen dabei die Knappen, da sie schwer zu überwachen seien und sich oft lange in den Bergen aufhielten. Außerdem stünden sie unter dem besonderen Schutz der Obrigkeit. Pater Zech war überhaupt für die Ausrottung einiger führender Protestantenfamilien, wie der Grueber, der Meixner, der Junger, Lackner und Rieser. Auf keinen Fall dürften die Güter der Ausgewanderten auf ihre Verwandten oder Freunde übergehen. Weiter müssten den Knappen unbedingt katholische Aufseher beigegeben werden und es sollte danach getrachtet werden, dass sie die noch verborgenen evangelischen Bücher abliefern. Wer Bücher bei sich behalte, sollte der Verbannung gewiss sein. Gastein könnte man wegen der Menge der noch vorhandenen verbotenen Bücher geradezu als "Luthers Bibliothek" bezeichnen. Kinder sollten Auskunft geben über den Glauben der Eltern. Allen Untertanen wurde es zur Pflicht, die sich in Glaubensdingen etwas zu schulden kommen lassen anzuzeigen.
Die Vorgangsweise hatte wenig Erfolg. Viele der Bauern haben noch im Jahre 1735 noch Bücher besessen, woraus sie bei geheimen Zusammenkünften lasen. Besonders taten sich die erwachsenen Kinder des Georg Stuhler, Bauer im Hundsdorfer Schlössl, hervor.

Unter Mitwirkung der Jesuiten, des Pfarrers und Landrichters hatten sich nicht nur die Strafen, sondern auch die Art des Verhörs grausam verschärft. Die Lutheraner waren ja durch die bestehenden Reichsgesetze ausreichend geschützt. Hier aber handelte es sich unzweifelhaft um Ungehorsame. Sie hatte ja geschworen, Katholiken zu sein und sich den Landesgesetzen unterordnen zu wollen.
Die Obrigkeit war entsetzt, dass der Protestantismus, den sie mit so viel Mühe ausgerottet zu haben glaubte, im Gasteiner Tal noch immer fortlebe. Nach Beendigung des Prozesses wurden 66 Personen des Landes verwiesen. Jeder hatte 50 Gulden Strafe zu zahlen. Viele wurden zu Geldstrafen und Gefängnis verurteilt. Nur ganz wenige waren imstande, die 50 Gulden aufzubringen.

» Der Fall Loitlsperger «
In den Jahren 1736 glaubte man dann doch, dass der Protestantismus allmählich erlöschen würde. Am 12. Oktober 1743 jedoch sandten der Gasteiner Landrichter und die Geistlichkeit einen Bericht an die Geheime Religionsdeputation, der dort größte Beunruhigung verursachte. Vor geraumer Zeit soll sich Veith Loitlsperger, ein bereits vor 8 Jahren ausgewiesener Webermeister aus dem Kötschachtal, häufig über den Tauern nach Gastein eingeschlichen haben. Vom Nassfeld machte er Besuche bei vielen Bauern in Remsach, Kötschachtal, Bad Bruck und anderen umliegenden Ortschaften, wo auch stets eine größere Anzahl von Menschen zusammengekommen seien.
Es gelang dem Gericht, des Loitlsperger habhaft zu werden. Durch langen Arrest, Karbatschstreiche und anderen Drangsalierungen brachte man ihn endlich zu einem umfangreichen Geständnis und es stellte sich heraus, das seit Jahren, vor den Augen der Obrigkeit, die lutherische Bewegung fortgelebt hat.

» Kaum Zwangausweisungen im Wildbad «
In den Jahren 1731 - 1733 waren von der Zwangsausweisung hauptsächlich Hof- und Dorfgasteiner betroffen. Badgastein wurde von den Jesuitenpatres kaum besucht, da das Verhältnis zu Vikar Stegpuchner sehr schlecht gewesen sei. Äußerst verwunderlich ist, dass er und sein Nachfolger nie bemerkt haben sollen, dass beim Mitterwirt, dem nächsten Nachbarn der Vikariatskirche, jahrelang an den Sonntagen evangelische Versammlungen abgehalten worden waren. Im Wildbad müssen die Leute noch mehr verschwiegen gewesen sein, denn von den Zusammenkünften wussten sehr viele, ohne das es je zur Anzeige gebracht worden wäre. Auffallend ist auch, dass beim Loitlsperger-Prozess die Menschen sich scheuten, ihre Glaubensgenossen zu verraten. Die meisten Verurteilten haben sich dann vorzeitig über den Tauern abgesetzt, wohl um dem Strafgeld und der Ausweisung zu entgehen.

- In den folgenden Jahren fanden vereinzelt noch Verhöre statt und es wurden verbotene Bücher öffentlich verbrannt.
Danach gab es keine Prozesse aber wohl auch keine Protestanten mehr unter den Einheimischen.

Weiterführende und verwandte Themen :
• Dokumentation : Emigrationspatent - 1731
• Dokumentation : Gegenreformation -
• Dokumentation : Glaubensbekenntnis - der Lutheraner
• Dokumentation : Protestantenverfolgung - 16. / 17. Jh.

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Anmerkung: Die Informationen wurden auszugsweise dem Buch
"Bad Hofgastein und die Geschichte Gasteins" - von Sebastian Hinterseer, 1977 - dem Buch
"Die Lutherischen in Gastein" von Ekkehart Lebouton, 1981 - und dem Buch
"Um des Glaubens willen" von Walter Mauerhofer / Reinhard Sessler 1990 - entnommen.
Beschreibung ohne Gewähr.

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© 2008 Anton Ernst Lafenthaler
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